‘Vernetzt Euch’ // Strategien und Visionen für eine diskriminierungskritische Kunst- und Kulturszene – Idee, Umsetzung & Rekapitulation.
Hier gibt es die Doku-Broschüre/das Strategienposter zum Download: Vernetzt-euch_doku_bildschirm
Homepage: http://www.vernetzt-euch.org/
Von uns, mit uns, für uns: gemeinsam denken und suchen
Die Konferenz “Vernetzt Euch!” am 10. und 11. Oktober 2015 richtete sich an Kulturarbeiter_innen, die sich und ihre Arbeit als machtkritisch verstehen und sich einen Kulturbetrieb wünschen, der durch Diversität und Inklusion anstatt durch Rassismus, Ableismus, Klassismus, Heteronormativität etc. geprägt ist.
Dabei ging es weniger darum, die Ausschlüsse und gewaltvollen Hierarchien, denen wir begegnen, erneut zu analysieren. Vielmehr war es uns wichtig, das gemeinsame Nachdenken über Lösungsansätze und Visionen in den Fokus zu rücken. Die Konferenz bestand im Kern aus einer Mischung aus interaktiven Workshops und kurzen Impulsvorträgen und endete in einem Vernetzungsbrunch, bei dem Teilnehmer_innen auch die Möglichkeit hatten, sich und ihre eigenen Projekte zu präsentieren und Verbündete zu finden.
Fragen zum Kulturbetrieb
Das Programm von “Vernetzt Euch!” kreiste im Wesentlichen um die folgenden fünf Fragenkomplexe, die wir als Veranstalter_innen aus unserer eigenen Praxis und Erfahrung abgeleitet hatten:
1. Wie können die gegenwärtigen ausschließenden Strukturen verändert werden? Welche politischen Forderungen sind sinnvoll und wie könnte eine diskriminierungskritische Lobbyarbeit aussehen?
2. Wie können machtkritische Projekte jenseits dominanter Förderstrukturen nachhaltig finanziert werden? Welche Kompromisse sind dafür notwendig?
3. Wie können Kulturschaffende, die von unterschiedlichen gesellschaftlichen Ausschlüssen und Unterdrückungsformen wie Rassismus, Ableismus, Klassismus, Sexismus und Heteronormativität etc betroffen sind, sich trotz ihrer Diversität, ihrer teils unterschiedlichen Ansätze und Problemstellungen vernetzen und gemeinsam widerständig agieren?
4. Wie kann eine verantwortliche Kulturarbeit an der Schnittstelle von Aktivismus und Kunst aussehen? Wie kann Kulturarbeit dazu genutzt werden, Selbstermächtigung zu ermöglichen? Wie können die vorhandenen Ressourcen sinnvoll mit denjenigen geteilt werden, die aufgrund von gesellschaftlicher und institutioneller Unterdrückung sonst keinen Zugang dazu erhalten?
5. Wie kann Machtkritik in der Ausbildung dazu beitragen, längerfristig gerechtere Strukturen zu entwickeln?
Diese Fragen wurden zum einen im Rahmen von Workshops aufgegriffen, die von Kulturpraktiker_innen angeleitet wurden, deren Projekte sich direkt oder indirekt damit auseinandersetzen. Zum anderen begegneten sie uns auch zwangsläufig in der Vorbereitung und Durchführung einer Konferenz, die neben Rassismuskritik möglichst viele intersektionale Perspektiven zusammenführen und abbilden wollte.
Das Vernetzt Euch!-Team
Den ersten Plan für die Konferenz entwickelte das Bündnis kritischer Kulturpraktiker_innen, ein Zusammenschluss von zumeist von Diskriminierung(en) betroffenen Kulturschaffenden, die sich vor allem mit Rassismus im Kulturbereich beschäftigen. Unsere Intervention bei einer anderen Konferenz, die Ausschlüsse kritisieren wollte, diese aber im eigenen Programm unreflektiert wiederholte, hatte den Impuls gegeben, eine Tagung zu organisieren, die endlich die Kulturpraktiker_innen zu Wort kommen lassen würde, die sich mit Diskriminierung auskennen.
In Zusammenarbeit mit der studentischen Initiative Interflugs entstand die Idee, die Konferenz an jenem Ort stattfinden zu lassen, an dem Ausschlüsse im Kulturbetrieb oft beginnen: an der Kunstuniversität, in diesem Falle der UdK Berlin. In der Trägerschaft des Migrationsrates Berlin-Brandenburg konkretisierte sich unser Anspruch, die Auseinandersetzung mit den Ausgrenzungsmechanismen im Kulturbereich in einen größeren gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Der vierte Kooperationspartner, das Jugendtheaterbüro Berlin setzte von Anfang an wichtige Impulse für Fragestellungen der Programmplanung.
Das war unser Programm
Wir haben überwiegend Projekte eingeladen, die unserer Meinung nach zu mindestens einem der Themenfelder kritische Strategien entwickelt hatten. In jedem der Workshops haben wir zwei Gruppen oder Projekte zusammengelegt, um unterschiedliche Ansätze zu einem Fragenkomplex aufzuzeigen und nicht den Eindruck zu erwecken, es gäbe nur einen denkbar möglichen Weg. Hierbei hatten wir außerdem die Hoffnung, dass es durch die Konfrontation unterschiedlicher Methoden zu fruchtbaren Diskussionen und Inspirationen kommen könnte. Dies hat zugegebenermaßen nicht in allen Workshops gleich gut funktioniert. Wir haben gelernt, dass Zusammenarbeit noch viel besser vorbereitet sein muss, damit sie für alle zu einem gelungenen Workshop wird.
Das Rahmenprogramm für die Workshops waren kurze Impulsbeiträge, in denen wir sowohl unser Verständnis von Diskriminierung formulieren, als auch historische und internationale Ansätze widerständiger Kulturarbeit vorstellen wollten. Zusätzlich gab es als Faktencheck eine empirische Übersicht über die Verteilung von People of Colour in Kulturinstitutionen, und Vorschläge dazu, wie eben diese Institutionen wirksam motiviert werden könnten, aktiv für eine diverse Belegschaft auf allen Ebenen der Kulturproduktion zu arbeiten.
Am Open Mic beim Vernetzungsbrunch am zweiten Tag stellten dann noch 17 (!) der Teilnehmenden ihre eigenen Projekte vor. Für die Gebärdendolmetscherinnen eine harte Strecke (auch hier haben wir gelernt, was besser vorzubereiten ist), insgesamt zum Glück eine äußerst inspirierende Sammlung kritischer Initiativen.
Zum Abschluss gab es noch eine Performance der Gruppe Shut up and Sign Speak, die Auszüge aus ihrem gefeierten Programm zeigte, das Spoken Word, Hip Hop und Gebärdensprachperformance verbindet.
Dokumentation in Bewegung: das Strategien-Poster
Und was bleibt nun? Was sind die wirkungsvollsten Strategien, wie sehen unsere Visionen für eine diskriminierungskritische Kulturszene aus? Es ist keine Überraschung, dass wir nicht mit einer perfekten Anleitung für gelungene widerständige Kulturpraxis aus der Konferenz herausgehen. Die Strategien, die uns weiterbringen sind unterschiedlich, auch die Prioritäten die wir setzen und die Arbeitsformen die wir wählen.
Dennoch lassen sich ein paar wichtige Punkte zur Arbeit an kritischen Kulturprojekten zusammenfassen. Wie funktioniert Gruppenarbeit (nicht)? Woher bekommen wir die Mittel, um unseren Plan umzusetzen? Was sind Fallen, in die wir tappen können, organisatorisch und inhaltlich? Wie gelingt es, selbst nicht die gleichen Machtstrukturen zu wiederholen, gegen die wir kämpfen?
Im Mind-Map-Poster auf der Innenseite der Doku-Broschüre werden Erfahrungswerte, die auf der Konferenz verhandelt wurden, in Strategien übersetzt, miteinander ins Verhältnis gesetzt, Hürden und Fallen markiert. Diese Sammlung ist der Beginn für einen ‘Werkzeugkasten’, auf den kritische Kulturpraktiker_innen zurückgreifen und den sie selbst ergänzen können. Wir hoffen, damit Impulse anzubieten, die euch in eurer Kulturarbeit inspirieren und bestärken.
Zusammen weiter machen!
Nach wie vor gilt: wir freuen uns über Feedback, denn wir wollen nicht nur unsere Video-Doku und die gedruckten Hefte der Konferenz auf die Webseite stellen, sondern auch die Mind-Map und andere hilfreiche Links für die gelungene kritische Kulturarbeit und zu euren widerständigen Projekten. Schreibt uns also gerne unter info@vernetzt-euch.org wenn ihr gute Hinweise für uns habt, auf die Mailing-Liste wollt oder eine Frage habt.
Euer Vernetzt Euch!-Team