Etwas stimmt nicht: Universität der Künste Berlin
Unveröffentlichte Petition: Statement initiiert vom Fachschaftsrat Bildende Kunst, Interflugs und Studierenden der ehemaligen Klasse von Hito Steyerl, Juli 2009
An den Präsidenten der Universität der Künste Berlin, Martin Rennert, die Dekanin der Fakultät Bildende Kunst, Ana Dimke, die ProfessorInnenschaft der Fakultät Bildende Kunst:
Wir als zukünftige Kulturschaffende weisen mit dieser Petition auf die aktuellen Misstände der Lehre an der Universität der Künste hin. Die Fakultät Bildende Kunst handelt in der Gestaltung des Lehrangebotes gegen die Interessen der Studierenden und missachtet so systematisch die Bedürfnisse und Anforderungen einer zeitgenössischen künstlerischen Praxis. Deshalb bitten wir die Öffentlichkeit um Unterstützung und Solidarität mit uns und unseren Forderungen:
1. Obwohl an der Fakultät Bildende Kunst über ein Viertel der Studierenden mit dem Medium Film/Video arbeiten, gibt es keine dafür spezialisierte Fachklasse. Eine kontinuierlich betreute Lehre findet an der Universität der Künste in diesem wichtigen Bereich nicht statt.
Wir fordern eine künstlerische Professur mit dem expliziten Schwerpunkt Film/Video. Die erste Besetzung dieses Fachbereichs muss bis zum Sommersemester 2010 erfolgen.
2. Erfolg auf dem Kunstmarkt ist in aktuellen Gremienentscheidungen ein bevorzugtes Auswahlkriterium, demgegenüber funktionierende pädagogische Strategien und fachliche Qualifikationen anderer Bewerber minderbewertet bleiben. Dies geschieht zu Ungunsten einer alle künstlerischen Medien gleichberechtigt abdeckenden Professurenverteilung. Wir fordern die Priorisierung der studentischen Bedürfnisse und die Gleichbehandlung aller künstlerischen Ausdrucksfromen!
3. Die Ausbildung an der UdK darf nicht weiter ausschließlich den Mythos des singulär arbeitenden (Galerie-)Künstlers reproduzieren, sondern muss stärker auch die Potentiale gemeinschaftlichen Arbeitens vermitteln, die Studierenden befähigen, in kollektiven Zusammenhängen zu arbeiten und Kompetenzen vermitteln, um sich im Feld der globalisierten Kulturproduktion angemessen zu vernetzen. Modelle realistischer ökonomischer Strategien sowie der Gruppen- und Projektarbeit werden im Studium ausgeklammert. Es fehlt die Diskussion über die Rechte und die soziale Absicherung der kulturell Arbeitenden.
4. An der UdK fehlt eine partizipative und transparente Entscheidungsstruktur, welche den Interessen der Studierenden und nicht zuletzt der Gesamtheit der künstlerisch Arbeitenden Rechnung trägt. Gemeint ist eine Instanz der aktiven und gleichberechtigten Beteiligung bei der Gestaltung der Lehre. Die Universität muss als Ort der freien Wissensvermittlung auch eine strukturelle Arbeit der Studierenden fördern.
5. Wir fordern einen ganzheitlichen Begriff von Lehre, in dem künstlerische Arbeitsbesprechungen mit kritischen theoretischen Inhalten verbunden werden. Es fehlen Fachklassen, die diesem grundlegenden Bedürfnis gerecht werden. Die wenigen vorhandenen Ansätze werden durch intransparente politische Entscheidungen marginalisiert, wenn nicht ignoriert – auf keinen Fall jedoch gefördert. Durch wechselnde und unsichere Anstellung von Lehrenden und durch Uneinigkeiten in den Entscheidungsgremien ist kontinuierliches Arbeiten für einen großen Teil der Studierenden nicht möglich.
6. Die Diskurse der postkolonialen Kritik und des Feminismus sind durch keine Professur in der praktischen Ausbildung in den Fachklassen vertreten. Diese sind jedoch als integraler Bestandteil der praktischen Lehre unabdingbar und dürfen an keiner Hochschule von internationaler Bedeutung fehlen. Dieser Misstand ist dringend bei Neuberufungen auszugleichen. Auch ist der aktuelle Stand des Bereichs Film/Video zu stärken und bei Neuberufungen zu priorisieren!